„Man muss das Leben tanzen.“ So lautet ein Zitat, das dem Philosophen und Schriftsteller Friedrich Nietzsche zugeschrieben wird. Ob er damit einen bestimmten Tanz gemeint hat, einen bestimmten Rhythmus oder die Anzahl der Tänzer – den Paartanz, in der Formation oder allein – weiß ich nicht.
Auch wenn ich selbst sowohl schon Ballett und Formation getanzt habe, so habe ich mein Herz an den Paartanz verloren. Ich schwinge, egal ob bei den klassischen 10 Gesellschaftstänzen oder Salsa bis hin zum Tango Argentino, bei jeder Gelegenheit gerne über das Parkett.
So steht dieses Zitat für mich sinnbildlich für eine Haltung. Eine Haltung, wie ich durchs Leben gehe und dabei mich selbst und andere führe. Beginnen wir also und gehen auf die Tanzfläche.
Die Tanzfläche – Sinnbild für ein soziales Konzept, das die Interaktionen von Menschen lenkt
Eine Tanzfläche ist ein eigener kleiner Mikrokosmos. Sobald ich auf die Tanzfläche trete, verändert sich fast automatisch meine Haltung. Meine Bewegungen werden fließender. Auch mein Ausdruck passt sich an. Besonders beim Paartanz entwickelt sich eine eigene Dynamik, da Individuen auf einzigartige Weise miteinander in Verbindung gehen.
Nicht nur das einzelne Tanzpaar geht eine Verbindung ein, sondern auch die verschiedenen Paare auf der Tanzfläche, zusammen mit dem DJ und dem Publikum, das den Tänzern zuschaut, bilden für die Zeit des Tanzes eine Einheit.
Unter dem funkelnden Licht und den Tönen der Musik werden unzählige kleine Kurzgeschichten erzählt, die durch Bewegung, Körperausdruck und Gesichtsausdruck zu einer gemeinsamen Geschichte werden. Mit vielen unterschiedlichen Charakteren, die alle Heldinnen und Held sind. Der Star in ihrem Tanz. Und die gleichzeitig wissen, dass sie nur gemeinsam diesen besonderen Moment erschaffen können.
Die Idee des “Tanzbereichs” geht über die bloße physische Abgrenzung im Raum hinaus. Beim Tanzen geht es nicht nur darum, wie viel Nähe oder Distanz ich im direkten Sinne zu meinem Tanzpartner habe. Größer betrachtet ist es ein soziales Konzept, das die Grenzen und Regeln definiert, welche die soziale Interaktion von Menschen lenken.
Jeder „Tanzbereich“ ist der individuelle Raum, den ein Mensch oder eine Gruppe zur Entfaltung braucht. Dieser Entfaltungsraum ist geprägt von den individuellen Präferenzen ebenso wie den sozialen Normen und kulturellen Einflüssen.
Mein Tanzbereich, dein Tanzbereich – die Dynamik im sozialen Miteinander und das komplexe Beziehungsgeflecht in Organisationen
Das Bild der Tanzbereiche beschreibt eine Dynamik, die sich sowohl auf der Tanzfläche als auch im alltäglichen Miteinander entfaltet. Insbesondere im Kontext von Unternehmen und Organisationen kann ich als Business- und Gesundheitscoach die Abgrenzung der „Tanzbereiche“ mit viel Neugierde verfolgen.
Während es einige Menschen im Unternehmen bevorzugen, in der Mitte des Geschehens zu stehen, fühlen sich andere in den Randbereichen wohler, wo sie unbeobachtet Dinge ausprobieren können. Wieder andere schwingen im Takt mit der großen Masse mit, sie passen sich an den Rhythmus an und fühlen sich in gleichgesinnter Gesellschaft wohl.
Dabei kommt es immer wieder zu Interaktionen, sowohl innerhalb der Bereiche als auch zwischen den unterschiedlichen Unternehmensbereichen. Der Austausch kann sehr bereichernd sein, da sich die verschiedenen Rollen und Kompetenzen gut ergänzen und sich Synergieeffekte entfalten können. Es entstehen Momente des Zusammenhalts und eines Wir-Gefühls über den eigenen Bereich hinaus.
Es können aber auch Machtspiele entstehen. Für die Personen im Mittelpunkt des Geschehens, die in Unternehmen nicht nur im oberen Management zu finden sind – die es gewöhnt sind, sich frei zu entfalten, ohne Rücksicht auf die Umgebung, eher dominant und autark agierend – kann schon ein zu langer Blickkontakt als persönliche Herausforderung empfunden werden. In der Mitte wird daher noch einmal alles gegeben.
Die Arme und Beine extra lang gemacht. Die letzten Projekterfolge nochmals aus der verstaubten Kiste herausgeholt und präsentiert, als wären diese mit der Mondlandung vergleichbar!
Damit es nicht zu Machtspielen, Konflikten oder ähnlichen Herausforderungen kommt, die weder das Tanzen noch die organisationale Leistung besser machen, ist es wichtig, die impliziten Regeln, besser bekannt als Unternehmenskultur, ins Bewusstsein zu holen.
So können die unbewussten Grundannahmen als offen gelebte Werte handlungs- und verhaltensleitend werden und die tägliche Kommunikation erleichtern. Missverstände werden seltener, und Klarheit löst eine fehlerhafte oder gar schlechte Kommunikation ab.
Unternehmenskultur und Visionen sorgen für Zusammenhalt
Damit die Kommunikation zwischen den Beteiligten reibungslos funktioniert, ist es hilfreich, sich immer wieder zu erinnern, warum denn initial alle die Tanzfläche betreten haben. Beziehungsweise: „Wieso hat ein Mitarbeiter sich für das Unternehmen entschieden?“
Selbst wenn Werte – durch Erziehung oder den kulturellen Kontext – stark variieren können. Selbst wenn die Musik oder der Kleidungsstil nicht immer den individuellen Geschmack treffen. So gibt es unter allen Tänzerinnen und Tänzern doch mindestens eine Gemeinsamkeit: Alle haben Freude daran, sich rhythmisch zur Musik und in Gesellschaft zu bewegen. Und diese Gemeinsamkeit gilt es auch in Unternehmen herauszuarbeiten und hochzuhalten.
Es ist entscheidend für den unternehmensinternen Zusammenhalt, das gemeinsame Ziel als Vision im Unternehmen allen Beteiligten unermüdlich zu vermitteln. So dass die Tänzer, wenn auch mal ein Song läuft, der vielen nicht gefällt, weiter mit den Füßen wippen und weiter daran glauben, bald wieder mitten auf der Tanzfläche zu stehen und die anderen mit ihrer Bewegung mitzureißen. So haben Unternehmen nachhaltig motivierte und engagierte Mitarbeiter.
Überzeugende Führung braucht das Zusammenspiel von innerer und äußerer Haltung
Tanzen kann uns viel über das Miteinander und unsere Kommunikation lehren. Eingangs habe ich beleuchtet, wie soziale Normen und kulturelle Einflüsse ein Unternehmen prägen. Darüber hinaus sind sowohl das Bewusstsein über die gemeinsamen Werte als auch das Bewusstsein über die übergeordnete Zielausrichtung entscheidend für die Motivation und das Miteinander in Unternehmen.
Um sicherzustellen, dass dieses Bewusstsein im täglichen Tun umgesetzt und vorgelebt wird, braucht es eine gesunde Führungskultur und vor allem überzeugende Führungskräfte.
Führen oder geführt werden – die Haltung entscheidet
Kehren wir nochmals zurück zum Bild des Tanzes. Damit ein harmonisches Miteinander entsteht, bedarf es neben den unterschiedlichen Bereichen auf der Tanzfläche, also den Abteilungen in Unternehmen, noch diejenigen, die Führen, und diejenigen, die geführt werden.
Die Führungstrainerin Monika Koch, die sich auf die Synergien zwischen Mitarbeiterführung und Tango spezialisiert hat, weiß: „Führen ist wie Tango. Haltung ist das A und O. Reden Sie Klartext mit der Körpersprache. Für sich und andere.“
Gerade in Zeiten von Veränderung ist es wichtig, seine Mitstreiter und Mitarbeiter durch die richtige Haltung zu inspirieren und zu motivieren. Kennt der Geführte die Tanzschritte bereits gut, ist es nicht ganz so wichtig, ob der Impuls, der vom Führenden ausgeht, klar, transparent und konsequent ist.
Aufgrund der gelernten Muster versteht der Geführte das Signal trotzdem. Sobald jedoch ein neuer Tanzschritt geführt wird, entsteht Verunsicherung beim Geführten. Hier ist mehr Information vom Führenden notwendig. Proaktiver. Klarer. Und vor allem konsequent. Damit die Geführten verstehen und lernen können, wie der neue Tanzschritt umzusetzen ist.
Glaubwürdigkeit und Vertrauen entstehen durch transparente Kommunikation und konsistentes Handeln
Viele Studien belegen, dass das „Wie“ der Kommunikation die Wirkung zu 90 Prozent beeinflusst! Der eigentliche Inhalt verblasst dagegen mit zehn Prozent.
Das Wie trägt dazu bei, die Beziehungsebene mit Ihren Mitarbeitern zu stärken. Es setzt sich zu etwa 1/3 aus paraverbaler Kommunikation und zu 2/3 aus nonverbaler Kommunikation zusammen. Haltung und Körpersprache sind dabei ebenso wie Mimik sowie Nähe-Distanz die wesentlichen Elemente der nonverbalen Kommunikation.
Die paraverbale Kommunikation umfasst die Tonalität der Sprache (Lautstärke, Geschwindigkeit, Pausen und Betonung) sowie die Art, sich sprachlich auszudrücken (Fremdwörter, Umgangssprache, Füllwörter oder Dialekt) ebenso wie Form im geschriebenen Text (bildhafte Darstellung, Letter, Emojis).
Wenn es also in einem Unternehmen gemeinsame soziale Konventionen gibt, die sich in einer Führungs- und Unternehmenskultur manifestieren und die in konsistentem und konsequentem Verhalten sichtbar werden, das Mitarbeiter zu interpretieren verstehen, dann werden Konflikte vermieden und stattdessen Momente der Verbindung geschaffen.
Es entsteht ein Miteinander, das sich durch Freude am Lernen auszeichnet. Auch wenn jemand dem anderen einmal auf den Fuß tritt. Oder wenn ein Paar aus dem eigenen Tanzbereich einmal eine Pirouette in einem der anderen Tanzbereiche dreht.
Dann wird gemeinsam überlegt, wie die Kommunikation zwischen dem Paar und mit den anderen Paaren verbessert werden kann, damit die Durchführung in Zukunft störungsfreier gelingt. Dafür bedarf es, Themen klar zu benennen und Störungen transparent anzusprechen, um Abläufe zu verbessern.
Von der Tanzkunst zur Führungskunst – erfolgreiche Führung braucht Selbstvertrauen
Sich-selbst-vertrauen setzt voraus, dass man sich selbst versteht. Welchen Tanz tanze ich gerne? Welchen Rhythmus höre ich in der Musik? Welche Signale empfange oder sende ich in welcher Form an meinen Tanzpartner bzw. meine Tanzpartnerin? Es beginnt und endet immer wieder mit uns selbst.
Egal wo, in welcher Rolle, mit wem oder mit wie vielen wir tanzen. Wer eine gute Verbindung zu sich selbst hat, kann auch eine Verbindung zu anderen aufbauen. Wer in Einklang mit sich selbst ist, kann Vertrauen in die eigenen Kräfte und Fähigkeiten entwickeln.
So wie auf der Tanzfläche beginnt auch die Führung in Unternehmen mit der Selbstführung jeder einzelnen Führungskraft.
Die Frage, ob wir aufbauend auf unserem Denken und Fühlen auch unseren Taten den entsprechenden Wert beimessen, beantwortet das Selbstwertgefühl. Es entsteht immer im Wechselspiel mit der Umwelt. Wenn wir Rahmenbedingungen vorfinden, in denen wir im Einklang mit unseren Bedürfnissen, Wünschen und Werten handeln können, dann steigt unser Selbstwertgefühl.
Wenn es jedoch ein Delta zwischen den eigenen Werten und Handlungen gibt, führt diese Inkonsistenz zu einem schwankenden oder gar bröckelnden Selbstwertgefühl. Unsere Taten sind nicht entsprechend dem Kompass unserer Werte ausgerichtet. Wir verlieren das Vertrauen in uns selbst. Damit sinkt die Qualität unserer Handlungen und das Ergebnis verschlechtert sich.
Ein stabiles Selbstwertgefühl haben wir demnach, wenn unser Handeln entsprechend unseren Werten ausgerichtet ist. Das bedingt, dass unsere Umgebung diesen Einklang auch zulässt. Wenn wir am liebsten Tango Argentino tanzen, aber auf eine Salsa Party gehen, wird das wahrscheinlich schwierig werden.
Jeder sollte also für sich prüfen, ob die eigenen Werte dem aktuellen Kontext, zum Beispiel den Führungs- und Unternehmenswerten, entsprechen. Ob wir dort, wo wir sind, überhaupt im Takt tanzen können. Ob wir unsere Stärken in unserem Umfeld einbringen können und ob unsere Handlungen die Vision der Organisation zielgerichtet unterstützen.
Auf diesem Weg investieren wir unsere Energie nicht darin, eigene Fehler auszumerzen, sondern verwenden sie darauf, unsere Potentiale zu entfalten und unsere Stärken zu stärken. Das führt dazu, dass es uns selbst besser geht. Gleichzeitig führt es auch dazu, dass sich unser Umfeld weiterentwickelt und die gemeinsam erzielten Ergebnisse besser werden.
Also: Erkenne die Leistungen der anderen an. Sei stolz auf das, was du selbst geleistet hast. Und genieße die Party des Lebens!
Deine
Ines Mikisek