#2 Zulassen. Annehmen. Verarbeiten. Wachsen

Widerstände – Ein Wegweiser zum Erfolg?

 

„Sie müssen sich durchkämpfen!“; „Fahren Sie Ihre Ellenbogen aus!“; „Als Führungskraft ist man einsam und unbeliebt!“ – mag es durch manche Organisationen schallen, insbesondere in Richtung derer, die sich um ihren Weg nach oben bemühen. Denn, erfolgt nicht aus Widerstand Erfolg? Oder: Sind gar Widerstände Wegweiser zum Erfolg?

Markus M. Ronner, Schweizer Theologe, Publizist und Journalist:
„Manche Leute haben so ein dickes Fell, dass sie auch ohne Rückgrat aufrecht stehen können.“

Die Frage, die dieser Artikel beantwortet soll, ist, ob solch ein dickes Fell als Führungskraft notwendig ist. Ein dickes Fell, dass vor Angriffen schützt, unverwundbar macht und gleichzeitig niemand anderen merken lässt, ob es einem gerade schlecht geht. Oder, ob es vielmehr darum geht, Rückgrat zu beweisen, loyal, emphatisch und aufrecht zu sich selbst und seiner Umgebung zu sein.

Anstatt einzustecken, auszuteilen, keinen Wert auf die Meinung der anderen zu legen und sich dadurch vielleicht auch irgendwann selbst zu verlieren, da durch die ständige Abwehrhaltung gar nicht mehr wirklich klar ist, was eigentlich die eigene Position zu einem Thema oder einer Person ist.

Beleuchten wir zunächst die Seite des Rückgrats. Dabei ist es unerlässlich sich mit dem Gefühl der Scham auseinanderzusetzen. Denn Rückgrat zeige ich dann, wenn ich zu mir stehe, obwohl ich mir etwas (gegenüber mir oder anderen) eingestehen muss, was nicht zu meinem Bild des „perfekt sein“ der „Unfehlbarkeit“ passt. Rückgrat beweise ich, wenn ich einen Fehler eingestehe und gewillt bin, daraus zu lernen. Offen und ehrlich im Miteinander zu wachsen.

Schon Friedrich Nietzsche erkannte 1954 wie schädlich es sein kann, jemand anderem die Scham zu ersparen. Rücksichtnahme ist oft nichts anderes als eine ungewollte Grausamkeit. Denn letzten Endes ist es eine geheime, emotionale Vergewaltigung des Anderen. So schlucken wir oft lieber ein Fehlverhalten einer anderen Person, als dass wir in die Konfrontation eintreten.

Nicht nur, weil wir unserem Gegenüber die Scham ersparen wollen, sondern weil wir selbst in jeder Konfrontation stark emotional beteiligt sind. Konfrontation schmerzt. Immer. Jeden Beteiligten. Wenn wir jedoch Rücksicht nehmen, Dinge nicht ansprechen, dann sprechen wir der anderen Person für ihr gezeigtes Verhalten die Freiheit und die Verantwortlichkeit ab. Wir berauben sie der Möglichkeit, daran etwas zu ändern, zu reflektieren, sich den Gründen und Ursachen bewusst zu werden.

Wie wäre es also nun, wenn wir unser dickes Fell ablegen und genau diese Einsicht an uns heranlassen? Ehrlich zu uns selbst sind. Ehrlich zu unserem Gegenüber sind.


Durch die Konfrontation ermöglichen wir dem Andern Einsicht in das eigene Tun. Jemanden zu erkennen und sich jemanden zu erkennen geben – daraus entstehen wahrhaftige, mutige Begegnungen. Sich auf Augenhöhe zu begegnen und dann gemeinsam zu wachsen, weil man sich ernst nimmt, in seinen individuellen Bedürfnissen. Und damit wiederum das Fundament schafft, für ein Rückgrat, dass sich sehen lassen kann. Nur auf Einsicht kann ein Sich-Annehmen folgen.

Was hat das ganze nun mit gesunder Führung zu tun?


Nun, ganz unmittelbar, wenn es um das Verhalten, mit dem man konfrontiert, um ein gesundheitsschädigendes Verhalten geht: „Du trinkst 9 Tassen Kaffee am Tag. Ich mach mir Sorgen, dass der Koffeinkonsum dazu führt, dass Du Dich nicht ausreichend entspannen kannst.“

Mittelbar hat es mit der Gesundheit zu tun, wenn das gezeigte Verhalten nicht primär gesundheitsförderlich oder schädigend ist. Beispielsweise die Befähigung Ihrer Mitarbeitenden, damit diese ihre eigenen Lösungen finden. „Ich sehe Sie haben schon tolle Möglichkeiten entwickelt, das Problem zu beheben. Welche weiteren Wege würden Sie finden, wenn Sie auf zusätzliche Ressourcen der IT-Abteilung zugreifen könnten?“ Durch eine solche Rückmeldung gebe ich dem Gegenüber die Möglichkeit weitere Perspektiven zu integrieren.

Zusätzlich fördere ich sein Selbstbewusstsein und löse Silodenken auf. Sowohl personale als auch soziale Ressourcen werden aktiviert, anstatt Stressoren durch Widerstand zu triggern. Im Resultat geht es den Mitarbeitenden nicht nur besser, sondern sie sind leistungsfähiger und erhöhen so ihren Wert für die Organisation.

Schauen Sie sich einmal in Ihrem Umfeld um. Wer gibt Ihnen offenes, ehrliches Feedback? Auf Basis welcher Rückmeldung können Sie wachsen? Welche Einsichten haben Ihnen zu mehr Stabilität verholfen und zur Bejahung Ihrer eigenen Person geführt?

An welchem Wachstumsprozess waren Sie beteiligt? Mit welcher Person hatten Sie in den letzten vier Wochen eine Begegnung, in der Sie sich zu erkennen gaben und Ihrem Gegenüber ein Erkennen ermöglicht haben?

Seien Sie mutig! Machen Sie den Anfang. Ich verspreche Ihnen, dass es Nachahmung finden wird und Sie so mehr und mehr Ihr dickes Fell zu Gunsten eines gestärkten Rückgrates ablegen können.

Ihre Ines Mikisek

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