FÜHRUNG MIT SUBSTANZ: WIE SINN UND HALTUNG TRANSFORMATION ERMÖGLICHEN

Wusstest Du, dass rund 70 Prozent der Gespräche im Berufsleben reine Oberflächlichkeit sind? So zeigt es eine Analyse aus der Kommunikationsforschung (vgl. Robbins & Judge, 2021). Umso wertvoller erscheinen Abende wie jener, den ich kürzlich am Vorabend des Personalmanagement Kongresses 2025 in Berlin erlebte. Kein Posing, kein Smalltalk, sondern echtes Zuhören. Fragen, die bleiben. Impulse, die nachwirken. In informeller, aber tiefgehender Atmosphäre bot sich die Möglichkeit, sich bereits vor dem offiziellen Start zu vernetzen und inspirieren zu lassen. Der Abend erinnerte mich daran, wie sehr Menschen aufblühen, wenn sie sich gesehen fühlen. Diese Erfahrung bildet den roten Faden, der sich durch meine Eindrücke vom Kongress, der unter dem Motto „Vision und Wirklichkeit“ stand, zieht. Wie also können wir aus unserer Vision von Führungskultur und Unternehmenskultur Wirklichkeit werden lassen?

ECHTE BEGEGNUNG ANSTATT SCHEIN-KOMMUNIKATION

Im Berufsalltag ist Oberfläche oft der Standard. Ich empfinde das als eine gefährliche Entwicklung. Denn was auf den ersten Blick wie eine harmlose Smalltalk-Kultur wirkt, offenbart bei näherem Hinsehen eine strukturelle Schwäche: Es fehlt an authentischer Kommunikation.

Führung bedeutet weit mehr, als über Aufgaben und Ergebnisse zu sprechen. Authentizität entsteht, wenn Menschen sich wirklich zeigen dürfen, wenn Gespräche verbinden, anstatt zu trennen. Wer als Führungskraft Interesse zeigt, aktiv zuhört und ehrliches Feedback gibt, schafft Verbindung. Und diese Verbindung ist der Nährboden für Vertrauen, Motivation und Entwicklung.

DIE UNSICHTBARE BARRIERE: WIE OBERFLÄCHLICHKEIT FÜHRUNG BLOCKIERT

Psycholog:innen sprechen von “Schein-Kommunikation”, wenn Gespräche zwar stattfinden, aber keine Substanz haben. Solche Gespräche erzeugen Distanz. Sie lassen Mitarbeiter:innen allein mit ihren Fragen, Bedürfnissen und Ambivalenzen. Die Folgen sind Misstrauen, mangelnde Bindung und reduzierte Leistungsbereitschaft.

Führung, die auf Kontrolle und nicht auf Beziehung setzt, fördert funktionale Abstimmung, aber keine echte Zusammenarbeit. Es fehlt der Raum für Reflexion, für das Teilen von Zweifeln, Ideen und Perspektiven. Gerade in Transformationsprozessen wird diese Art der Kommunikation zur Hypothek. Denn Wandel braucht Dialog, nicht Monolog.

Wer als Führungskraft kein echtes Interesse zeigt, erzeugt Distanz anstelle von Verbindung. Wer nur über Aufgaben spricht, verpasst die Chance, Motivation zu entfalten.

VOM LEITBILD ZUR LEITLINIE: FÜHRUNG SYSTEMISCH VERANKERN

Viele Organisationen verfügen über definierte Leitbilder. Doch zu oft bleiben sie symbolisch, sichtbar in PowerPoint-Folien und Postern – sind aber nicht im alltäglichen Handeln verankert.

Damit Führungsprinzipien wirksam werden, braucht es mehr: strategische Klarheit, Übersetzungsleistung und Vorbildfunktion.

Strategische Klarheit bedeutet, dass Führung nicht als Add-on, sondern als integraler Bestandteil der Unternehmensentwicklung verstanden wird. Mit Übersetzungsleistung meine ich, dass aus einem allgemeinen “Wir übernehmen Verantwortung” beispielsweise ein handlungsleitendes “Ich reflektiere meine Wirkung” wird. Und eine echte Vorbildfunktion zeigt sich für mich dann, wenn auch das Top-Management bereit ist, Haltung zu zeigen und Veränderung zu leben und nicht nur Vorgaben zu kommunizieren.

HIRN – HERZ – HAND: DAS MODELL NACH ANTONOVSKY NEU GEDACHT

Bereits 1971 formulierte Aaron Antonovsky sein Modell der Kohärenz, das bis heute eine wichtige Grundlage für gesunde Führung und organisationales Lernen bildet. Es besagt: Menschen erleben dann Sinn, wenn sie

  • verstehen, worum es geht (Hirn),
  • sich emotional verbunden fühlen (Herz) und
  • konkret handeln können (Hand).

Diese drei Ebenen müssen in Führungsarbeit zusammenkommen. Das bedeutet: Orientierung geben, Bindung schaffen und Handlungsspielräume öffnen. Wenn diese sogenannte „Kohärenz“ gelingt, wird aus abstrakten Prinzipien erfahrbare Wirklichkeit. Die dann auch nachhaltig und langfristig gelebt wird und keine Eintagsfliege bleibt oder bei Hindernissen die Mitarbeiter:innen sofort wieder in ihre alten, gewohnten Verhaltensmuster zurückwirft.

COACHING ALS TRANSLATOR ZWISCHEN WERT UND WIRKUNG

Führungskräfte wissen oft, WAS zu tun wäre – doch viele ringen mit dem WIE. Hier setzt Coaching als systemische Interventionsform an: Es übersetzt strategische Ziele und kulturelle Werte in individuelles Verhalten. Dabei werden Spannungen nicht umgangen, sondern produktiv genutzt und handhabbar gemacht.

Coaching bietet Raum, Ambivalenzen zu reflektieren, innere Widerstände zu verstehen und Handlungsmut zu entwickeln. Entscheidend ist dabei nicht nur die individuelle Arbeit, sondern die strukturelle Verankerung. Daher wirkt Coaching im unternehmerischen Kontext dann besonders stark, wenn es Teil einer umfassenden Lern- und Feedbackkultur ist. Kollegiale Beratungen, Leadership-Dialoge oder Impulsformate können diese Wirkung verstärken.

DIE MESSBARKEIT DER WIRKUNG: COACHING ALS BUSINESS CASE

Auch wenn Coaching in erster Linie durch Beziehung, Haltung und Resonanz wirkt, lässt sich seine Wirkung zunehmend belegen. Studien wie jene von De Haan et al. (2023) zeigen signifikante Verbesserungen bei Leistung, Motivation und Gesundheit von Führungskräften, die systematisch gecoacht wurden.

Aus meiner Praxis lassen sich weitere messbare Erfolge erzielen: von der Reduktion von Fehlzeiten über erhöhte Mitarbeiterbindung bis hin zu Einsparpotenzialen im sechsstelligen Bereich. Coaching ist damit kein “Soft-Thema”, sondern ein investitionsrelevanter Faktor für Zukunftssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit.

FÜHRUNGSKULTUR BRAUCHT MUT UND KONTINUITÄT

Doch Wirkung entsteht nicht allein durch punktuelle Interventionen. Damit Coaching und Führungsentwicklung nachhaltig greifen, braucht es einen kulturellen Rahmen, der Reflexion ermöglicht und Verantwortung fördert. Hier wird Selbstführung zur zentralen Ressource.

Wer andere führen will, muss sich selbst führen können. Coaching unterstützt dabei: Es schafft Klarheit, fördert Selbstwirksamkeit und hilft, kognitive wie emotionale Blockaden zu überwinden. Organisationen, die diesen Prozess begleiten, statt ihn zu kontrollieren, schaffen Vertrauen und Entwicklung.

FAZIT: WENN PRINZIPIEN LEBEN, WIRD TRANSFORMATION MÖGLICH

Authentische Führung zeigt sich nicht in Worten, sondern im Handeln. Sie entsteht, wenn Menschen sich trauen, zuzuhören, sich einzulassen und Verantwortung zu übernehmen. Wenn Leitbilder nicht verwaltet, sondern gelebt werden. Wenn aus Gesprächen Veränderung wird.

Coaching kann diesen Weg ebnen – aber es braucht Organisationen, die bereit sind, ihn zu gehen. Denn Transformation gelingt nicht durch Tools oder Trends. Sie gelingt, wenn Prinzipien zu Haltung werden. Und Haltung zu Handlung. Dann wird aus Prinzipien Praxis. Und aus Praxis Erfolg.


WISSENSCHAFTLICHE QUELLEN

  • Antonovsky, A. (1971). Health, Stress and Coping. San Francisco: Jossey-Bass.
  • Robbins, S. P., & Judge, T. A. (2021). Organizational Behavior (18th Ed.). Pearson.
  • De Haan, E. et al. (2023). What Can We Know about the Effectiveness of Coaching? Academy of Management Learning and Education.

LinkedIn
Twitter
XING
Telegram
WhatsApp
Email
Nach oben scrollen

Du möchtest Deine Führungsqualitäten weiterentwickeln und Deine Selbstführung stärken?

Melde Dich jetzt an und erhalte unsere kompakten Impulse für gesunde und wirksame Führung.
Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner