#3 Feedback: Nehmen ist Seliger als Geben

Der nächste Schritt in Richtung Kulturveränderung

 

In den letzten beiden Artikeln habe ich Ihnen zum Thema der Kulturveränderung und Einsicht ein wenig auf den Zahn gefühlt. Sie konnten möglicherweise erkennen wie einfach kleine Stellhebel genutzt werden und eine große Wirkung erzielen können. Erinnern Sie sich? Sie sollten bei sich selbst beginnen. Ändern Sie Ihr Verhalten. Seien Sie ehrlich zu sich selbst. Seien Sie ehrlich zu den anderen. Seien Sie Vorbild. Es wird Sie und Ihre Mitarbeitende verändern und sich so im ganzen Unternehmen auswirken.

Um dort weiter anzuknüpfen möchte ich noch einmal etwas spezifischer auf das Thema Feedback eingehen.

Wenn Ihnen jetzt die klassische Sandwich-Methode in den Sinn kommt, „fange positiv an, komme zum Kritikpunkt und höre mit etwas Positivem auf“, dann haben Sie sich zwar schon einmal mit dem Thema beschäftigt, aber dann sind Sie jemand, der sich noch nicht wirklich konkret mit dem Thema Feedback auseinandergesetzt hat. Denn bestenfalls funktioniert die Form der Sandwich-Methode ein einziges Mal. Dann ist der Trick durchschaut. Und wenn Sie es nicht gerade mit einem Hund, dem bekanntlich besten Freund des Menschen, zu tun haben, dann wird eine Wiederholung mehr Schaden als Nutzen anrichten.

Wie können Sie also ein Feedback so gestalten, dass es wirkt?


In der Kurzform der Definition bedeutet Feedback einem Menschen eine Rückmeldung zu einem wahrgenommenen oder erlebten Verhalten zu geben. Diese Rückmeldung sollte frei von Bewertungen sein. Voraussetzung dafür ist, dass Sie zwischen einer Bewertung und einer Beobachtung unterscheiden können. Das hört sich (leider) einfacher an, als es ist. Schon der indische Philosoph Jiddu Krishnamurti wusste: „Beobachten, ohne zu bewerten, ist die höchste Form menschlicher Intelligenz.“

Stellen Sie sich die Frage: „Was ist der Fall?“

Schauen Sie sich ganz konkret an, was wirklich vorliegt. Ist Ihr Mitarbeitender schlecht drauf oder hat er vielleicht zu Mittag etwas Schlechtes gegessen oder ist er schon so voller Vorfreude auf den Abend, dass keine Konzentration mehr für das Hier-und-Jetzt vorhanden ist? Sie können es nicht wissen. Beobachten Sie also, wie Ihr Mitarbeitender sich verhält. Wie ist die Gestik? Wie ist die Mimik? Wie die Körperhaltung? Woran machen Sie fest, dass etwas von dem beobachteten Verhalten verschieden von dem üblichen Verhalten ist? Wie ist die Sprache? Die Ausdrucksweise? Wie ist die Tonlage?

Als Gerüst für Ihre Beobachtungen kann das VAKOG-Modell dienen. So integrieren Sie alle Sinnesebenen und erhalten einen besseren Aufschluss darüber, was WIRKLICH vor sich geht:

Visuell – steht für das was Sie sehen

Auditiv – was Sie hören

Kinästhetisch – ist der Sinneskanal des Fühlens

Olfaktorisch – betrifft den Geruch

Gustatorisch – meint Ihren Geschmack

Schließen Sie dabei bitte nicht von sich auf andere. Jede und jeder bringt ihre bzw. seine eigene Biographie, Erfahrungen, Meinungen und Prägungen mit. Und: Das ist auch gut so! Denn diese erleichtern uns die Orientierung. Die notwendigen automatischen Verhaltensweisen, zu denen diese Vorerfahrungen führen, reduzieren für uns jeden Moment unseres Seins die Vielfalt an Handlungsoptionen und damit die Komplexität unseren Alltag zu meistern. Außerdem unterstützen diese unsere Reflexe (zum Beispiel, wenn ein Auto anrast, müssen wir nicht erst überlegen, ob wir zur Seite springen sollten).

Beim wertungsfreien Beschreiben kann dieser Mechanismus jedoch hinderlich sein, da unser Gehirn zuallererst die Schlussfolgerungen zieht, die es kennt. „Als ich meinen Nachbarn das letzte Mal nicht gegrüßt habe, habe ich das absichtlich gemacht, da ihm der Wein nicht geschmeckt hat, den ich zur Party mitgebracht habe.“ Wenn der Nachbar mich also einmal nicht grüßt, denke ich sofort: „Das muss meine Schuld sein.“

Wie können Sie ihm nun ein wertungsfreies Feedback geben, um ihm zu signalisieren, dass Sie sich geärgert haben, ohne ihn anzugreifen? Probieren wir es einmal. Was haben Sie beobachtet?

„Als Du heute morgen auf der anderen Straßenseite an mir vorbeigegangen bist, während ich Dir zugewinkt habe, habe ich auf meine Geste keine Reaktion von Dir erhalten.“

Eine Möglichkeit. Marshall B. Rosenberg empfiehlt, in seinem Vorgehen zur „Gewaltfreien Kommunikation“, die Beobachtung um die Verbalisierung der eigenen Gefühle, der eigenen Bedürfnisse sowie der Bitte zur Erfüllung dieser Bedürfnisse zu ergänzen. Also, beispielsweise so:

„Als Du heute morgen auf der anderen Straßenseite an mir vorbeigegangen bist, während ich Dir zugewinkt habe, habe ich auf meine Geste keine Reaktion von Dir erhalten. Das hat bei mir zunächst großes Erstaunen ausgelöst, die später zur Verärgerung wurde, da ich mir gewünscht hätte, dass Du die Geste erwiderst. Ich würde Dich bitten, mir das nächste Mal mitzuteilen, wenn Du mich nicht grüßt, was der Grund dafür ist.“

So können Sie Ihr Bedürfnis ausdrücken, ohne Ihr Gegenüber anzugreifen. Sie müssen den Ärger nicht mehr in sich hineinfressen. Aber bitte: Wenden Sie das Modell nicht sklavisch an! Es soll vielmehr eine Hilfestellung sein, bewusster mit der Sprache umzugehen.

Probieren Sie es einmal aus! Schulen Sie Ihre Beobachtung. Reflektieren Sie, wie Sie sich ausdrücken. Ich freue mich, wenn Sie mir Ihre Erfahrungen mitteilen, wie Ihr Umfeld auf Ihr Feedback reagiert.

Und nur der Vollständigkeit wegen: Feedback sollte möglichst zeitnah, konkret und individuell erfolgen. Nutzen Sie besser kurze, klar strukturierte Sätze und vermeiden Sie Verneinungen.

Und wenn wir schon bei den Vervollständigungen sind: Rosenbergs Konzept greift die Überlegungen der Upanishaden auf. „Ahimsa“ (Gewaltlosigkeit) gilt auch als die wichtigste Verhaltensempfehlung im Yoga.

Ihre Ines Mikisek

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