#8 Die tickende Selbstwertbombe

Die Geschichte des grünen Grases

 

Gestern war der 10. Juli. Der Geburtstag meiner Schwester. Happy birthday Mini-Plü! Meine Schwester ist kleiner als ich. 13 cm, um genau zu sein. Und jünger. Ziemlich genau 2 Jahre – ihr Geburtstermin sollte mein Geburtstag sein – dann ließ sie aber doch noch 11 Tage auf sich warten. Auch ansonsten haben wir nicht viel gemeinsam. Wenn wir jemand fremden erzählen, dass wir Geschwister sind, schauen sie uns immer mit großen Augen an.

Ich sage immer: sie hat das Äußere von der väterlichen Seite und das Innere von der mütterlichen Seite unserer Familie. Und bei mir ist es genau andersherum. Sie ist geduldiger als ich. Geht völlig arglos auf andere Menschen zu. Familie ist für sie wichtiger als alles andere. Sie ist stark verwurzelt in der Region, wo wir aufgewachsen sind. Braucht Beständigkeit und Sicherheit. Einen geregelten Job. Einen stabilen Freundeskreis. Sie ist verheiratet und hat ein Kind.

Ich bin in meinem Leben schon 15-mal umgezogen. Ich habe eine Weile im Ausland gelebt sowie ganz im Süden und auch schon im Norden von Deutschland. Nichts würde mich so sehr langweilen, wie wenn ich jeden Tag das Gleiche tun müsste. Sport spielt für mich eine große Rolle in meinem Leben. Ich bin ungeduldig – mit mir selbst und manchmal auch mit anderen. Das macht mich ehrgeizig und treibt mich voran. Meine Energie tanke ich, wenn ich alleine bin. Durch den Wald streife. Oder meditiere.

Ist meine Schwester ein besserer Mensch als ich? Bin ich ein besserer Mensch als meine Schwester?

Natürlich nicht. Und doch: Vielleicht beneidet mich der oder die ein oder andere um meine sportliche Figur. Um das was ich in meinem Leben schon erreicht habe. Geschäftsführer, die sich bei mir Rat holen. Werkleiter, die mit mir ihre Strategie diskutieren.

Und doch: Manchmal beneide ich meine Schwester. Um ihren langjährigen großen Freundeskreis. Das, wenn sie abends nach Hause kommt, eine Familie vorfindet, die auf sie wartet, anstatt ein leeres Hotelzimmer. Ist das Gras auf der anderen Seite immer grüner? Wollen wir immer das, was wir nicht haben?

“The grass isn’t greener on the other side. It is greener when you water it.“


Wir tendieren dazu, uns an den positiven Eigenschaften des anderen zu messen. Das ist per se nicht schlecht. Wichtig dabei ist, dass die Anerkennung der Stärken des bzw. der anderen nicht dazu führt, das zu sehen, was bei mir schlecht läuft. Sondern, dass ich wertschätzend auch meine eigenen Stärken anerkenne. Die eigenen Potentiale, meine individuellen Wachstumsmöglichkeiten bewusst zu machen und zu fördern und gleichzeitig die Fähigkeiten des anderen zu bewundern und zu respektieren. Talente gemeinsam feiern und Raum dabei für Entwicklung haben – großartig!

Okay, zugegeben: Einfacher geschrieben als getan :). In meinem letzten Artikel habe ich über Selbstvertrauen geschrieben. Wie wichtig es ist, zu sich selbst zu stehen, Vertrauen in die eigenen Kräfte und Fähigkeiten zu haben. In Einklang mit sich selbst zu sein. Und jetzt kommt zusätzlich noch der Selbstwert ins Spiel. Dahinter steckt nämlich die Frage, ob ich aufbauend auf dem Denken und Fühlen (Selbstvertrauen) auch meinen Taten den entsprechenden Wert beimesse (Selbstwert).

Also, habe ich entsprechend meinen zugrunde liegenden Bedürfnissen, Wünsche und Werte auch gehandelt? Bin ich mir es selbst wert, das zu tun, was mir gut tut? Bin ich konsistent in meinem Denken, Fühlen und Handeln? Schwankungen im Selbstwert sind ein Indiz dafür, dass ich meinem eigenen Anspruch nicht gerecht werde. Wenn es eine Kluft zwischen meinen Ressourcen und deren Verwendung in meinen tatsächlichen Handlungen gibt. Wenn meine Taten nicht entsprechend dem Kompass meiner Werte ausgerichtet sind.

Ein stabiles Selbstwertgefühl habe ich demnach, wenn ich mein Handeln entsprechend meiner Werte ausrichte.


Also, was gilt es zu tun: Das eigene Gras zu wässern. Verschwenden Sie Ihre Energie nicht darin eigene Fehler auszumerzen, sondern verwenden Sie Ihre Energie darauf Ihre Potentiale zu entfalten bzw. Ihre Stärken zu stärken. Setzen Sie Ihre Mitarbeitende so ein, dass Sie ihre Fähigkeiten nutzen und weiterentwickeln können. Beurteilen Sie nicht den Pinguin danach, wie dämlich er ist, dass er trotz Flügel nicht fliegen kann, sondern erkennen Sie an, was für ein grandioser Schwimmer dieser Vogel ist! Ehren Sie Ihre Stärken. Ehren Sie die Stärken Ihres Umfeldes. Erkennen Sie die Leistungen der anderen an und seien Sie dankbar für das, was Sie selbst geleistet haben.

Gerade in den sozialen Medien werden immer nur einzelne Facetten dargestellt. Positive Eigenschaften übermäßig hervorgehoben. Dabei vergessen wir allzu schnell, dass wir alle nur Menschen sind. Das Erfolge mit Anstrengungen verbunden sind. Das jeder auch negative Eigenschaften mit sich bringt. Das jede Sonnenseite auch Schattenseiten hat. Das ein durchtrainierter Körper, Schweiß, Verzicht und Disziplin bedeutet. Das Berühmtheiten zwar von vielen verehrt werden, aber dabei oftmals sehr einsam sind.

Vergleichen Sie also nicht nicht. Vergleichswerte können anspornen. Vergleichen kann helfen, sich bewusst abzugrenzen. Aber vergleichen Sie fair. Respektieren Sie Ihre Einzigartigkeit. Ziehen Sie die jeweiligen Umstände in Betracht. Schätzen Sie Ihre eigene Entwicklung. Und unter welchen Rahmenbedingungen diese möglich war – oder auch begrenzt wurde. Was haben Sie bisher alles erreicht? Was machen Sie heute besser als früher? Welche Erfahrungen haben Sie reicher gemacht? Welche stärker? Oder weiser?

Seien Sie sich Ihres Wertes bewusst! Ihr Wert, der immer nur an Ihren ganz persönlichen Wertvorstellungen gemessen werden kann – also lassen Sie sich von niemand anderem etwas anderes einreden.

Ihre Ines Mikisek

 

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